Versuch einer Wertung, subjektiv geprägte Empfehlung
Diese Überschrift ist so vorsichtig gewählt worden, weil die Frage "Direkte Verfahren oder Iterationsverfahren?" in der Vergangenheit unter den Numerikern manchmal durchaus die Form eines Glaubenskrieges annehmen konnte (wie die Frage nach der besten Programmiersprache unter den Informatikern oder die Frage nach dem besten CAD-System unter den Ingenieuren). Deshalb also die folgenden vorsichtigen Formulierungen:
- Die direkten Verfahren arbeiten stabiler als die Iterationsverfahren. Diese Aussage gilt für die Berechnung mit Computern, weil man davon ausgehen kann, dass diese keine Rechenfehler produzieren. Ein Rechenfehler wäre für das Ergebnis bei Verwendung eines direkten Verfahrens in der Regel katastrophal, die Iterationsverfahren würden sich nur mit verlängerter Rechenzeit rächen.
Natürlich sind die unvermeidlichen Rundungsfehler ganz enge Verwandte der Rechenfehler. Die Auswirkungen der Rundungsfehler können bei direkten Verfahren deutlich unangenehmer sein als bei den Iterationsverfahren.
- Für kleine Gleichungssysteme (und als klein darf man bei dieser Aussage auch noch Systeme mit 10000 Unbekannten bezeichnen) gibt es eigentlich keinen Grund, nicht mit direkten Verfahren zu arbeiten.
- Das übliche Abbruchkriterium für die iterativen Verfahren ist, dass eine Norm des Restvektors einen vorzugebenden Wert unterschreitet. Die Unsicherheiten bei der Festlegung dieses Wertes und die offene Frage, ob nicht einzelne (und vielleicht besonders interessierende) Unbekannte besonders große Abweichen haben, sollten nicht zu hoch bewertet werden. Die Abweichungen der berechneten Lösung von der exakten Lösung eines großen Gleichungssystems sind im Allgemeinen deutlich geringer als die Fehler, die bereits bei der Aufstellung des Gleichungssystems generiert werden (ungenaue Problemparameter, Näherungsverfahren - z. B. Finite-Elemente-Methode, Differenzenverfahren ... -, mit denen das Gleichungssystem erzeugt wurde).
- Während die Verfahrensauswahl für die direkten Verfahren nach Beantwortung der Fragen "Koeffizientenmatrix symmetrisch und positiv definit?" weitgehend klar ist (LR-Zerlegung oder Cholesky), steht bei den iterativen Verfahren ein kaum zu überblickendes Sortiment mit zahlreichen Modifikationen und verschiedenen Varianten zur Präkonditionierung zur Auswahl. Ohne tieferes Eindringen in die Theorie ist dem Anwender die Auswahl eines Verfahrens kaum möglich, selbst dann bleibt häufig nur der Test des Verfahrens am aktuellen Objekt.
Die intensive Forschung auf dem Gebiet der iterativen Verfahren in den vergangenen Jahrzehnten hat zur erfolgreichen Lösung sehr großer dünn besetzter Gleichungssysteme geführt, die aus verschiedenen Anwendungsgebieten kommen. Eine Klassifizierung mit Wertung, nach der ein Anwender für sein Problem das geeignete Verfahren auswählen kann, ist offensichtlich außerordentlich schwierig. Der Schreiber dieser Zeilen hat in einschlägigen Lehrbüchern, im Internet und z. B. auch in Matlab stets nur eine (weitgehend unbewertete) Zusammenstellung der iterativen Verfahren (und natürlich zahllose Publikationen zu einzelnen Verfahren) gefunden und würde sich deshalb selbst folgenden Rat geben:
- Auch bei sehr großen linearen Gleichungssystemen sollte - wenn nicht bereits andere Erfahrungen vorliegen - stets zunächst der Versuch mit einem direkten Lösungsverfahren gestartet werden.
|