Gedanken zu einer Jahreszahl von Jürgen Dankert
 

Nachdem ich in den letzten Jahren mit jeder Jahreszahl eine (nicht ernst zu nehmende) spielerische Überlegung angestellt habe (siehe die Bemerkungen rechts), kann die Frage, ob wohl jede Zahl zu irgendeiner Betrachtung tauglich ist, wohl so beantwortet werden: Ja, auch wenn es manchmal als etwas weit hergeholt erscheinen mag.

Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Zahl eine Beziehung zu einem Palindrom hat, ist sehr groß, und auch für die 2010 hat mir Karl Hovekamp, ein Spezialist auf diesem Gebiet, wieder die Information gegeben, die man weiter unten auf dieser Seite findet.

Lothar Collatz, Copyright: Oberwolfach Photo Collection Lothar Collatz (© MFO)

Für mich ist 2010 in erster Linie ein Jubiläumsjahr, weil der Mathematiker, der mich als Ingenieur besonders beeindruckt hat, in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre: Lothar Collatz, ein Pionier auf dem Gebiet der Angewandten Mathematik, speziell der Numerik.

Und weil auf ihn auch das nach ihm benannte (bisher ungelöste) "Collatz-Problem" zurückgeht, das (wie viele ungelöste Probleme) besonders einfach zu formulieren ist, und für diejenigen, die Spaß an diesen schönen Mathematik-Problemen haben, sicher interessant ist, gebe ich hier einen kurzen Einblick.

Lothar Collatz (6. Juli 1910 - 26. September 1990)

Es steht mir nicht zu, das Werk dieses genialen Mathematikers zu würdigen, zumal ich ihm nur einmal in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts auf einem Kongress persönlich begegnet bin. Deshalb nur einige Bemerkungen zu seinen Leistungen, die mich persönlich besonders beeindruckt haben.

Im Jahre 1951 erschien das Buch von L. Collatz: "Numerische Behandlung von Differentialgleichungen". In diesem Buch habe ich fast alles gefunden, was erst Jahrzehnte später mit leistungsfähigen Computern zu den heute bekannten effizienten Verfahren führte. 25 Jahre nach Erscheinen dieses Buchs habe ich selbst in meinem Buch "Numerische Methoden der Mechanik" das, was L. Collatz in seinem Buch beschrieb, auf die Probleme der Technischen Mechanik angewendet und mit Computerprogrammen realisiert. Und auch auf meiner Internet-Site "Mathematik für die Technische Mechanik" stecken an sehr vielen Stellen Ideen, die auf L. Collatz zurückgehen.

Ich nehme den Klassiker von L. Collatz noch heute gern in die Hand und bin immer wieder fasziniert, wie man zu einer Zeit, als man noch keinen Computer zur Verfügung hatte, so zukunftsweisend formulieren konnte. Fast noch erstaunlicher ist, dass bereits 1945 von L. Collatz das Buch "Eigenwertprobleme und ihre numerische Behandlung" erschien, denn in diesem Gebiet kann sich der Ingenieur heute kaum ein Problem vorstellen, das ohne Computer zu lösen ist.

Dass der Name Collatz heute vornehmlich mit dem nach ihm benannten "Collatz-Problem" assoziiert wird, wäre bei seinen übrigen Leistungen als tragisch zu bezeichnen, wenn er selbst nicht auch ein großer Freund von Spielereien in und mit der Mathematik gewesen wäre.

Man startet mit einer beliebigen natürlichen Zahl (ganze Zahl größer als 0). Wenn es eine gerade Zahl ist, wird sie halbiert, ist es eine ungerade Zahl, wird sie verdreifacht und zum Ergebnis wird noch 1 addiert (Beispiel: Aus der geraden Startzahl 18 wird eine 9, aus der ungeraden Startzahl 11 wird eine 34). Mit der entstandenen Zahl wird das Spiel wiederholt und ständig fortgesetzt.

Collatzsche Vermutung, auch als (3n+1)-Vermutung bezeichnet: Bei beliebiger Startzahl endet das Spiel immer mit den drei Zahlen 4, 2 und 1 (und würde bei Fortsetzung immer wieder diese drei Zahlen erzeugen).

Das Collatz-Problem

"(3n+1)-Vermutung"
Eine Folge natürlicher Zahlen wird gestartet mit einer beliebigen natürlichen Zahl c0. Ein beliebiges Element ci+1 der Folge errechnet sich aus seinem Vorgänger nach
  • ci+1 = c/2, wenn ci gerade ist bzw.
  • ci+1 = 3 · ci + 1, wenn ci ungerade ist.
Collatzsche Vermutung: Diese Folgen enden bei beliebigem Startwert mit der Sequenz   ..., 4, 2, 1 (und diese Sequenz würde sich bei weiterer Rechnung natürlich immer wiederholen).

Beispiel: Mit dem Startwert c0 = 11 erhält man die Folge

11,  34,  17,  52,  26,  13,  40,  20,  10,  5,  16,  8,  4,  2,  1.

Es ist nicht ganz klar, wann L. Collatz diese Vermutung erstmals ausgesprochen hat, mit ziemlicher Sicherheit war es in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Sie ist bisher weder bewiesen noch widerlegt. Umso erstaunlicher ist die Formulierung dieser Vermutung zu einer Zeit, als man das nicht mal eben mit einem kleinen Script für einige Millionen Startwerte ausprobieren konnte. Für die Handrechnung artet ein Test sehr schnell in Arbeit aus (für den Startwert 27 z. B. hat die Folge 112 Glieder, für den Startwert 626331 sind es 509 Glieder, man kann das alles mit dem nebenstehenden Script probieren).

Natürlich hat dieses Problem viele Programmierer gereizt, und man findet im Web weltweit verteilte Gruppen, die mit dezentraler Rechnerleistung alles ausloten, was an diesem Problem interessant sein kann, z. B. die Suche nach der Startzahl, die die längste Folge liefert. Je mehr Startzahlen probiert wurden, desto eher darf man annehmen, dass die Collatzsche Vermutung richtig ist, aber ein Beweis ist auf diesem Wege nicht zu führen.

Hinweis: Ein erweitertes Script, das die errechneten Collatz-Folgen auch analysiert, findet man auf der Seite "Das Collatz-Problem".

Reaktionen von Besuchern dieser Seite

Die Bemerkung "Es wird vermutlich nicht gelingen" nach der Aufforderung zum Versuch, mit größeren Startzahlen längere Folgen zu erzeugen, hat zu zahlreichen Reaktionen geführt, von denen einige nachfolgend gelistet sind:


"Delay Records"

Die Rekordjäger nach den so genannten "Delay Records" (die gibt es tatsächlich und nicht nur einmal, siehe zum Beispiel 3x+1 Delay Records oder das BOINC-Projekt Collatz Conjecture) haben den Rekord-Begriff schärfer definiert: Als Rekord-Startzahl wird nur anerkannt, wenn bewiesen ist, dass alle kleineren Startzahlen kürzere Folgen liefern. In diesem Sinne ist die oben angegebene Rekordzahl 46785696846401151 zu verstehen, die von 3x+1 Delay Records im Dezember 2009 gemeldet wurde. Das BOINC-Projekt meldete im Februar 2010 die Startzahl 2362741986945773554503, für die das oben angegebene Script eine Folge mit 2590 Elementen liefert.

Und nach dieser Definition scheiden auch alle Zweierpotenzen als Startzahlen aus der Konkurrenz aus, denn eine einfache Überlegung ergibt, dass es zu jeder Startzahl 2n eine kleinere Startzahl gibt, die eine um mindestens ein Element längere Folge liefert:

Weil 2n garantiert nicht durch 3 teilbar ist, muss entweder eine der beiden ungeraden Zahlen 2n−1 oder 2n+1 durch 3 teilbar sein. Wenn es 2n−1 ist, dann gibt es eine (ungerade) Startzahl m1=(2n−1)/3, für die mit der Collatz-Vorschrift 3m1+1=2n entsteht und somit eine Collatzfolge liefert, die um ein Element länger ist.

Wenn dagegen 2n+1 durch 3 teilbar ist, dann ist auch der doppelte Wert (2n+1)·2 = 2n+1+2 durch 3 teilbar. Weil dann 2n+1+1 und 2n+1 ohnehin nicht durch 3 teilbar sind, muss 2n+1−1 durch 3 teilbar sein, und es gibt mit m2=(2n+1−1)/3 wieder eine Startzahl, die im ersten Collatz-Schritt auf 2n+1 und im zweiten Schritt auf 2n führt. Weil m2=(2n+1−1)/3 = 2n·2/3−1/3 < 2n gilt, gibt es also in jedem Fall zu einer Zweierpotenz 2n eine kleinere Startzahl, die eine längere Collatz-Folge liefert.


Modifikationen des Collatz-Problems

"(3n−1)-Folge"

Es gibt einige sehr interessante Modifikationen des Collatz-Problems, z. B. die Erweiterung auf negative Startzahlen. Dann entstehen natürlich nur negative Zahlen, aber ganz andere Folgen, weil sich das Addieren der 1 nach der Verdreifachung entsprechend anders auswirkt. Praktisch gleichwertig damit ist die folgende kleine Änderung, die dafür sorgt, dass nach wie vor positive Zahlen entstehen:

Eine Folge natürlicher Zahlen wird gestartet mit einer beliebigen natürlichen Zahl c0. Ein beliebiges Element ci+1 der Folge errechnet sich aus seinem Vorgänger nach
  • ci+1 = c/2, wenn ci gerade ist bzw.
  • ci+1 = 3 · ci − 1, wenn ci ungerade ist.
Diese Folgen enden bei beliebigem Startwert in einer der drei folgenden Sequenzen:
  • 2, 1  oder
  • 5, 14, 7,  20,  10  oder
  • 17, 50, 25, 74, 37, 110, 55, 164, 82, 41, 122, 61, 182, 91, 272, 136, 68, 34.

Es ist leicht einzusehen, dass nach Erreichen einer dieser Sequenzen bei weiterer Rechnung eine ständige Wiederholung entsteht, weil die erste Zahl der Sequenz der halbe Wert der jeweils letzten (geraden) Zahl ist. Das nebenstehende Script berechnet solche Folgen.



Die Zahl 2010 als Palindrom

Karl Hovekamp, ein Spezialist für Palindrome in unterschiedlichen Zahlensystemen (ein Besuch seiner Seiten lohnt sich), schrieb mir eine Mail und machte mich darauf aufmerksam, dass im Zahlensystem mit der Basis 41 die Dezimalzahl 2010 zu einem Palindrom wird. Dieses Zahlensystem ist zwar nicht gerade gebräuchlich, dafür ist es ein sehr schönes Palindrom, das sich sogar unter Verwendung der uns geläufigen Ziffern als

181

darstellen lässt. Die Rückrechnung (siehe auch Seite Zahlensysteme) bestätigt das:

1 · 412 + 8 · 41 + 1 = 1681 + 328 + 1 = 2010 .