Jürgen Dankert: Meine Meinung zum Thema ...

Geheimdienste

Liebe Politiker, liebe aufgeregte Mitbürger, …

… was dachten Sie eigentlich, was Geheimdienst-Mitarbeiter so den lieben langen Tag machen? Mit Trenchcoat, Sonnenbrille und Schlapphut spazieren gehen, um irgendwo einige Informationen aufzuschnappen?

So naiv waren Sie sicher nicht. Wie mir war Ihnen klar, dass die Mitarbeiter von Geheimdiensten das Sammeln von Informationen mit den modernsten verfügbaren technischen Hilfsmitteln betreiben. Und dass dazu heute im Internet und in Telefonnetzen leistungsstarke Computer-Programme gehören, war ja wohl auch jedem klar. Und dass sich Geheimdienste im jeweiligen Ausland nicht an die Gesetze des Landes halten, ist auch keine Überraschung, deshalb wird ja geheim gearbeitet mit dem Risiko, dass ein enttarnter Spion hart bestraft wird. Dass man deshalb möglichst vom eigenen Territorium aus operiert, ist logisch, dass dies im Zeitalter der weltweiten Vernetzung einfacher geworden ist, weiß man natürlich auch.

Genau das alles hat die NSA gemacht. Das kann eigentlich keinen denkenden Menschen überraschen. Die Empörung darüber speist sich aber noch aus einigen anderen Argumenten:

"Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht", …

… hat die Bundeskanzlerin im Oktober 2013 gesagt. Dass es geht, ist ja inzwischen unbestritten. Von der Ansicht, dass es auch sinnvoll ist, wird sich die US-Regierung wohl kaum abbringen lassen. Die Terroristen des 11. September 2001 kamen eben nicht aus Kairo, Beirut, oder Bagdad, auch wenn das die Heimatstädte der Attentäter waren. Sie kamen aus dem befreundeten Deutschland, und es ist nun einmal viel einfacher, aus Hamburg, Frankfurt oder München in die USA zu reisen als aus Ägypten, Libanon oder Irak.

Und bei dem Zustand, den die deutschen Geheimdienste zeigen, sollten wir sehr froh sein, wenn ein leistungsfähiger Dienst eines befreundeten Landes uns bei der Arbeit unterstützt.

Man darf nicht alle Menschen unter Generalverdacht stellen, …

… indem man zum Beispiel den gesamten E-Mail-Verkehr überwacht. Ja, wenn man wüsste, wen man überwachen muss, dann wäre ja der wesentliche Teil der Arbeit bereits erledigt. Aber genau das weiß man nicht. Und genau diesen schwierigen Teil der Arbeit kann man nur durch Scannen aller Mails erreichen, mindestens aber durch flächendeckende Überwachung der Meta-Daten (wer hat mit wem korrespondiert?).

Auch die Bundesrepublik Deutschland betreibt Geheimdienste, …

… BND, BfV, MAD auf Bundesebene und noch 16 Verfassungsschutzbehörden der Länder. Dass diese nichts von den NSA-Aktivitäten gewusst haben, ist unmöglich. Wenn sich jemand aus diesem Bereich äußert, wird ja auch nur der "Umfang" der Spionageaktivitäten als "überraschend" dargestellt.

Bedenklich ist allerdings, dass die Spionageabwehr, die ja ein besonders wichtiger Bereich ist, zum Beispiel der Bundeskanzlerin kein abhörsicheres Handy bereitstellen konnte, noch viel schlimmer ist, dass man das Abhören des Handys offensichtlich nicht einmal bemerkte.

Der Skandal ist nicht die Tatsache, dass die NSA das gemacht hat, was der amerikanische Steuerzahler, der diese Behörde finanziert, von ihr erwarten darf. Der eigentliche Skandal besteht darin, dass die vom deutschen Steuerzahler finanzierten Behörden nicht annähernd ihrem Auftrag gerecht geworden sind.

Hans-Christian Ströbele …

… ist wohl unter all denen, die sich über den so genannten NSA-Skandal aufregen, der Aufgeregteste. Ich finde aber, die deutschen Steuerzahler haben allen Grund, sich über Herrn Ströbele aufzuregen. Er ist als Bundestagsabgeordneter seit 2002 Mitglied des "Parlamentarischen Kontrollgremiums", das die Arbeit der (deutschen) Geheimdienste überwachen soll.

Diesem Kontrollgremium ist im vergangenen Jahrzehnt die Arbeit der deutschen Spionageabwehr offensichtlich nicht als unzureichend aufgefallen. Das genau ist der Skandal: Der Steuerzahler finanziert den Geheimdienst, und der Wähler entsendet Abgeordnete in den Bundestag, von denen einige den Auftrag haben, die Geheimdienste zu kontrollieren. Weil die meisten Deutschen in Personalunion Steuerzahler und Wähler sind, müssen sie sich doppelt betrogen fühlen.

Ein Hoffnungsschimmer

Seit Anfang August 2014 wissen wir, dass auch der BND offensichtlich zu Abhöraktionen fähig ist. Es ist zumindest beruhigend zu wissen, dass der deutsche Steuerzahler nicht eine völlig unfähige Behörde finanziert. Dass auch Freunde (zumindest NATO-Partner) abgehört wurden, sollte dazu führen, dass die ganze künstliche Aufregung wegen der Gefahr der Lächerlichkeit endlich aufhören sollte.

Fazit

Der amerikanische Geheimdienst hat im Sinne seines Auftraggebers (des amerikanischen Steuerzahlers) genau das gemacht, was dieser von ihm erwartet hat, wohl auch in ausgezeichneter Qualität.

Die deutschen Geheimdienste haben genau das offensichtlich nicht geleistet (immerhin wurde auch ein wenig abgehört), und das dafür zuständige Kontrollgremium hat das nicht bemerkt (und von den Abhöraktionen des BND nichts gewusst).

Und eine weitere Sorge sollte uns umtreiben: Wir sind bei den modernen Technologien nicht mehr dabei, unsere nach wie vor starke Wirtschaft lebt von den "klassischen" Industrien (vornehmlich vom Maschinenbau einschließlich Fahrzeug- und Flugzeugbau). Google, Apple, Microsoft, IBM, Intel, Cisco, Adobe, Yahoo, Facebook, Twitter bestimmen den Takt in den innovativen Technologien (Internet und zugehörige Branchen, GPS usw.), und damit werden alle Bereiche, die für Spionage besonders anfällig sind, von den USA dominiert.

Immerhin haben wir die aufgeregtesten Datenschützer. Denen ist es im Juni 2014 sogar gelungen, den Generalbundesanwalt zu einem Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Abhörens des Handys der Bundeskanzlerin zu drängen. Armer Herr Range, welche Hilfsmittel stehen Ihnen denn zur Verfügung? Können Sie überhaupt noch nachvollziehen, mit wem die Kanzlerin gesprochen hat, oder sind die Daten bereits durch die erlaubte Frist bei der Vorratsdatenspeicherung verschwunden?

Ein Whistleblower hat uns bestätigt, dass der Geheimdienst eines befreundeten Landes bei uns spioniert hat. Es gibt auch Geheimdienste in Ländern, mit denen wir nicht befreundet sind, und es gibt Terrororganisationen, die auch gern Informationen bei uns abgreifen möchten. Auch wenn deren technologische Möglichkeiten sicher nicht mit denen der USA vergleichbar sind, bleibt die Sorge, dass unsere Spionage-Abwehr möglicherweise auch dieser Aufgabe nicht gewachsen ist.